Rückblick GEFTA Jahrestagung 1999

Thermoanalytische Untersuchungen an kristallinen und amorphen Formen eines Wirkstoffkandidaten

S. Neuenfeld
Merck KGaA, Zentrale Verfahrensentwicklung, 64271 Darmstadt


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Ein Wirkstoffkandidat kann in einer kristallinen Form und im amporphen Zustand auftreten. Die Möglichkeit der Bildung von polymorphen bzw. pseudopolymorphen Formen wurde mittels eines Kristallisationsscreenings überprüft, wobei stets nur eine Kristallform gefunden wurde. Der amorphe Zustand wurde durch Lyophilisierung erhalten.

Die kristalline Form zeigt ein scheinbar anormales Schmelzverhalten, welches mittels DSC, TG und Heiztischmikroskopie untersucht wurde. Der beobachtete Schmelzpunkt zeigte eine starke Abhängigkeit von der verwendeten Heizrate. Je größer die Heizrate, desto später tritt die scheinbare Schmelze auf. Thermogravimetrisch wurde im relevanten Temperaturbereich kein Massenverlust detektiert. Als Ursache für die erniedrigten Schmelzpunkte mit sinkender Heizrate kann die Bildung einer nichtflüchtigen Verunreinigung infolge eines Zersetzungsprozesses angenommen werden, deren Konzentration proportional mit der Aufheizzeit steigt. Durch eine Extrapolation auf eine unendliche Heizrate sollte der wahre Schmelzpunkt der Verbindung abgeschätzt werden können. Dies erfolgte durch die Kombination der Schröder-van Laar-Gleichung mit einem erster Ordnung-Zersetzungs-modell, welche eine Korrelation von beobachteten Schmelzpunkt und Heizrate in Form einer nichtlinearen 1/Tf- 1/b-Auftragung ermöglichte. Diese Methodik kann auch für einen besseren Vergleich von polymorphen Formen, welche sich beim Schmelzen teilweise zersetzen, angewendet werden.

Die amorphe Form konnte mittels DSC anhand des Glasübergangs und der Kaltkristallisation charakterisiert werden, wobei ein weite Variation der Glasübergangstemperaturen und der Kaltkristallisationstemperaturen über etwa 100 K beobachtet wurde. Erwartungsgemäß sinken beide Temperaturen bei Lagerung bei steigender Luftfeuchte 3. Ab 65 %RH wird eine schnelle Kristallisation innerhalb von wenigen Stunden beobachtet. Erstaunlicherweise steigen die beiden charakteristischen Temperaturen während der Lagerung über einige Wochen. Die Abschätzung der Stabilität des amorphen Zustands erfolgte im thermo-dynamischen Sinn mittels der Kauzmann-Temperatur TK 5,6 und im kinetischen Sinn mittels des Fragilitätsparameters m 1,2,4. Mit TK = -36°C und m = 15 ist die Stabilität eher kinetisch begründet. Der amorphe Zustand existiert statt auf einer Enthalpiefunktion eher in einem "Enthalpieband".


Referenzen:

1 Hancock, B.C.; Dalton, C.R.; Pikal, M.J.; Shamblin, S.L.: Pharm. Res. 15 (1998) 762-767.

2 Angell, C.A.: Current Opinion in Solid State & Material Science 1 (1996) 578-585.

3 Yoshioka, S.; Aso, Y.; Kojima, S.: Pharm. Res. 16 (1999) 135-140.

4 Hodge, I.M.: J. Non-Cryst. Solids 202 (1996) 164-172.

5 Hancock, B.C., Christensen, K.; Shamblin, S.L.: Pharm. Res. 15 (1998) 1649-1651.

6 Kauzmann, W.: Chem. Reviews 43 (1948) 219-256.

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